Bark Painting: Kuratorin Viktoria Tomek über die Rindenmalerei der Aboriginal Art

Die Geschichte der Rindenmalerei (bark painting) vor dem 20. Jahrhundert ist weitestgehend unbekannt. Als weiße Missionare im 19. Jahrhundert in den entlegensten Teilen Australiens Missionen aufbauten, begannen sie sich auch für die Rindenarbeiten der Aboriginal-People zu interessieren. Die Malereien kamen dadurch in Umlauf. Obwohl das Medium selbst vermutlich bereits tausende Jahre alt ist, stieg die Herstellung von Rindenmalereien um 1930 besonders in Arnhem Land deutlich an.

Unterstützend in Zeremonien verwendet, wurden bark paintings als reines Kunsthandwerk betrachtet und erst ab etwa der 1980er Jahre als eigenständige Kunstwerke anerkannt.

Aboriginal People beim Schneiden und Schälen der Rinde

Aboriginal People beim Schneiden und Schälen der Rinde

Die Malereien aus meist roten, weißen und gelben Erdpigmenten wurden auf Rinden von Eukalyptusbäumen (stringybarks) aufgebracht und bilden in ihrer Fülle und Unterschiedlichkeit das reiche Formenrepertoire der australischen Ureinwohner ab. Es gibt sowohl abstrakte Muster als auch figurative Malereien; viele der Künstler kombinieren auch beide Elemente miteinander.
Die Malpraktiken und Themen der barks sind jenen der Bilder aus den Wüstenregionen Australiens nicht unähnlich: Hier wie dort sind die Geschichten oder Figuren der „Dreamtime“ sowie zeremonielle Muster in den Malereien der Aboriginal-People anzutreffen. Die Inhalte können spirituell oder mitunter auch säkular motiviert sein. Jedoch sind die Künstler sorgfältig darauf bedacht, keine Rindenmalereien in Umlauf zu bringen, deren Inhalte nur Initiierten vorbehalten sind.

Billy Yirawala, Sacred Bird, ca. 1959 © Bildrecht Wien, 2015, Foto: Graham Baring, courtesy Sotheby’s Melbourne

Billy Yirawala, Sacred Bird, ca. 1959 © Bildrecht Wien, 2015, Foto: Graham Baring, courtesy Sotheby’s Melbourne

Eine besonders interessante Form bilden Rindenbilder im „Röntgenstil“, wie etwa der >Sacred Bird<, ca. 1959, von Billy Yirawala. Hier wird das Innere eines Tieres, dessen Knochen, stilisierte Organe und Muskeln gezeigt. Das Durchdringende des Röntgenstils verdeutlicht für die Aboriginal-People die tiefe Verbundenheit der Künstler mit der spirituellen und materiellen Welt.

Häufig wiederkehrend ist zudem die Methode der Kreuzschraffur (rarrk), die bei abstrakten und figurativen Stilen gleichermaßen angewendet wird. Meist in natürlichem Weiß und Ockerfarben, in Kombination mit geschwärzten Partien, wird die Schraffur auf die Rinde aufgetragen, um eine Art „Schimmern“ der Oberfläche zu erzeugen. Die visuelle Qualität, die diese geometrische Regelmäßigkeit der Schraffur erzeugt, wird von den Aboriginal-People mit ihrem Ahnenkult und ihren „Dreamings“ assoziiert.

Mick Kubarkku, Namarrkon, The Lightning Spirit, ca. 1980 © Bildrecht Wien, 2015, Foto: Graham Baring, courtesy Sotheby’s Melbourne

Mick Kubarkku, Namarrkon, The Lightning Spirit, ca. 1980 © Bildrecht Wien, 2015, Foto: Graham Baring, courtesy Sotheby’s Melbourne


Mick Kubarkkus
>Namarrkon, The Lightning Spirit< (Der Geist der Blitze), ca. 1980, zeigt die Gottheit der Blitze, die während der Monsunzeit in den Wolken thront und die indigene Bevölkerung beobachtet. Wenn er sieht, dass jemand aus einem Clan nicht die traditionellen Regeln befolgt, bestraft er diesen, indem er eine der Äxte, die aus seinen Gliedmaßen wachsen, als Blitzschlag zur Erde schickt. Der Körper der Gottheit ist in feiner Schraffur vor rotem Hintergrund gestaltet; Kopf, Hände, Füße und Äxte sind in kräftigen Punkten akzentuiert.

John Mawurndjul, Kay Lindjuwanga, Ngalyod Rainbow serpent (Bark painting Cat.No. 899-03), 2003, © Bildrecht Wien, 2015, Foto: Stefan Fiedler, Salon Iris, Wien

John Mawurndjul, Kay Lindjuwanga, Ngalyod Rainbow serpent (Bark painting Cat.No. 899-03), 2003, © Bildrecht Wien, 2015, Foto: Stefan Fiedler, Salon Iris, Wien

Eine moderne Interpretation des rarrk findet man im Rindenbild von John Mawurndjul und Kay Lindjuwanga. >Ngalyod Rainbow serpent< (Regenbogenschlange), 2003, zeigt die Regenbogenschlange, die den Schöpfungsmythos Australiens begründet. Hier sind die Schraffuren über die gesamte Rinde verteilt. Die Fülle der Linien und Schraffuren, die sich um den Kopf der Schlange verteilen, erzeugen fast ein optisches Verwirrspiel, das durch die Einteilung in eine Art geometrisches Netz der über zwei Meter hohen Rindenbahn noch verstärkt wird.

Bezeichnend ist, dass Inhalte der Rindenbilder zwar von Generation zu Generation tradiert werden, die konkrete stilistische Gestaltung jedoch durchaus innovativ gelöst werden kann.


Ein Beitrag aus dem Ausstellungsbegleiter zur Ausstellung ABORIGINAL ART

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