Karlheinz Essl über seine Ausstellung >made in austria<: Teil 2: Rainer und Lassnig, Prachensky, Mikl, Hollegha und Brandl und Scheibl

In einer Blog-Serie stellt Sammler und Kurator Karlheinz Essl seine Ausstellung >made in austria< vor. Diesmal: Maria Lassnig und Arnulf Rainer, Markus Prachensky, Josef Mikl, Wolfgang Hollegha und Herbert Brandl und Hubert Scheibl

Zweiter Galerieraum: Maria Lassnig und Arnulf Rainer

Maria Lassnig und Arnulf Rainer sind auf den ersten Blick zwei sehr entgegen gesetzte Künstlerpersönlichkeiten. Sie waren eng miteinander befreundet und am Anfang ihres Schaffens lebten sie eine Zeitlang in Paris. Dann trennten sich ihre Wege.

Lassnig ging später nach Amerika und war lange Zeit in Österreich nicht präsent. In den USA malte sie relativ wenig und beschäftigte sich eher mit dem experimentellen Film. 1980 wurde sie als erste weibliche Professorin an die Universität für Angewandte Kunst nach Wien berufen. Lassnig wurde damit wieder in Wien und Österreich als Künstlerin wahrgenommen und sorgte mit ihrer Malerei für Aufsehen. Seit diesem Zeitpunkt haben wir sie gesammelt. Deshalb zeige ich Werke genau aus diesen Jahren. Stark beeinflusst von der eigenen Biografie malt Lassnig meist ihren Körper und ihre Gefühle.

„Ich trete gleichsam nackt vor die Leinwand, ohne Absicht, ohne Planung, ohne Modell, ohne Fotografie, und lasse entstehen. Doch habe ich einen Ausgangspunkt, der aus der Erkenntnis entstand, dass das einzig wirklich Reale meine Gefühle sind, die sich innerhalb des Körpergehäuses abspielen: physiologischer Natur, Druckgefühl beim Sitzen und Liegen, Spannungs- und räumliche Ausdehnungsgefühle – ziemlich schwierig darstellbare Dinge.“ Maria Lassnig

In einem mutigen Akt der Selbstdarstellung und Entblößung bringt sie körperliche wie psychische Befindlichkeiten zum Ausdruck, dabei zeigt sie uns schonungslos ihre Sehnsüchte, besonders auch ihre Ängste und ihr Leiden. Lassnigs Malerei ist figurativ aber nicht naturalistisch, eine Darstellung in Formen, die sich sehr oft vom menschlichen Körper lösen und seltsame Tierwesen oder Maschinenmenschen zum Vorschein bringen. Wir Menschen wollen uns meist von der schönen Seite zeigen und das, was uns bewegt, verbergen. Lassnig hingegen kehrt das Innerste nach außen, insbesondere ihr Leiden und ihren Schmerz.

Auch Arnulf Rainer entblößt sich, wenn er sein eigenes Antlitz fotografisch festhält. Rainer will mit seinen „Automatenfotos“ kein schönes Passbild von sich machen, sondern schneidet hässliche Grimassen, ähnlich wie es Franz Xaver Messerschmidt bei seinen Charakterköpfen gemacht hat. Rainer präsentiert ein fratzenartiges Gesicht und wirft als kritischer Geist einen sehr skeptischen Blick auf sich selbst aber auch auf die Gesellschaft und die Welt. Durch die malerische Bearbeitung wird dieser Ausdruck noch verstärkt. Die Übermalungen können dabei als Verstärkung der Grimassen, aber auch als Auslöschung und Vernichtung des Bildes und der Persönlichkeit gesehen werden.

„Ich sehe bei einem Bild sofort immer nur die schlechten Stellen, zumindest, wenn ich für das Objekt Sympathie empfinde… Diese, die schwachen Stellen zu vertuschen, eine nach der anderen so lange zu verdecken, bis ich nichts mehr sehe, hat mich zu den Übermalungen geführt. Also Liebe und Vervollkommnungsdrang. Ich wollte noch schönere Kunstwerke daraus machen.“ Arnulf Rainer

Diese „Face Farces“ werden mit Lassnigs malerischen Selbstentäußerungen in einen Dialog gesetzt. Daneben zeige ich einige sorgsam ausgesuchte Werke aus Rainers Frühzeit: Mit der Zentralisation und insbesondere den frühen schwarzen Übermalungen hat er sich in die internationale Kunstgeschichte der Nachkriegszeit eingeschrieben. Eine seiner wichtigsten Werkphasen sind auch die Fingermalereien. Rainer ist hier in seinem Element, in seiner ganzen jugendlichen Kraft, in seiner künstlerischen Vorstellung kämpft er mit dem Bild, zerstört es oder erschafft etwas ganz Neues.

 

Dritter Galerieraum: Wolfgang Hollegha, Josef Mikl, Markus Prachensky, sowie Herbert Brandl und Hubert Scheibl

Dieser Raum lebt von der Gegenüberstellung zweier Künstlergenerationen. Auf der einer Seite die abstrakten Maler der Nachkriegszeit, Markus Prachensky, Josef Mikl, Wolfgang Hollegha, auf der anderen Seite zwei Vertreter der „Neuen Wilden“ aus den 1980er-Jahren, Herbert Brandl und Hubert Scheibl. Wie hat die nächste Künstlergeneration, also die Schüler von den Lehrern, gelernt? Inwieweit haben sie sich eigenständig entwickelt? Alle fünf Künstler arbeiten abstrakt, wobei Prachensky, Mikl und Hollegha meist noch den Gegenstand zum Ausgangspunkt haben und diesen in einem nächsten Schritt in die reine Abstraktion führen. In der Auswahl zeige ich nur Arbeiten, in denen das Figurative nicht mehr sichtbar ist. Auch bei Brandl und Scheibl konzentriere ich mich auf abstrakte, vergeistigte Werke, bei denen es keinen direkten realen Bezug mehr gibt.

Die Künstler der Gruppe „St. Stephan“ rund um Monsignore Otto Mauer (ich habe bewusst auf Arnulf Rainer in diesem Raum verzichtet, da er sich künstlerisch in eine andere Richtung entwickelt hat) gehören zu den ersten, die in Österreich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs abstrakt gemalt haben. Sie werden zu den wichtigsten Gestaltern der Nachkriegsavantgarde und bestimmten fast ein Jahrzehnt lang in Absprache mit Otto Mauer wesentlich das Programm und die Ausrichtung der Galerie.

Wolfgang Holleghas farbintensive malerische Formfindung geht immer vom realen Gegenstand aus, der sich dann aber zugunsten der Abstraktion vollkommen auflöst. Es handelt sich um ein Herauslösen einer Form, die für die Ganzheit des Gegenstandes nicht mehr bedeutsam ist. Ein besonderes Kennzeichen der Werke Holleghas ist der dünne Farbauftrag.

„Ich transportiere sogar Novopanplatten in den Wald, damit ich vor Ort zeichen kann.“ Wolfgang Hollegha

Im Werk von Josef Mikl ist das bestimmende Thema der Körper. In seinem abstrakten Realismus geht er oft von Körperteilen, speziell von Gelenken, aus und nimmt diese als Grundlage für seine Umsetzung in Malerei. Die Form des Gegenstandes kann dann bis zur Unkenntlichkeit zurück treten, auf sie verweist oft nur mehr der Bildtitel. In Studienblättern und Zeichnungen ist die Auseinandersetzung mit der Körperlichkeit der Figur jedoch deutlich nachzuvollziehen.

Markus Prachensky entwickelt eine unverwechselbare, am internationalen Informel orientierte, expressive Malweise. Die Farbe Rot und tektonische Elemente sind wesentliche Bestandteile seiner gestisch abstrakten Bilder. Prachensky ist ein reisender Künstler, er malt zyklische Bildfolgen, inspiriert und benannt nach den Orten der Entstehung oder der Erinnerung.

„Rot ist die Farbe meines Lebens.“ Markus Prachensky

In Österreich machte Anfang der 1980er-Jahre eine junge Künstlergeneration auf sich aufmerksam, die als „Neue Wilde“ bekannt wurde. Mit frechen, subversiven, gestisch gemalten Bildern setzten sie sich dem Zeitgeist von Minimal Art, Konzept Kunst und Landart entgegen. Die damals wieder verstärkte Hinwendung zur Malerei war ein internationales Phänomen. Die „Jungen Wilden“ in Deutschland oder auch die „Transavantguardia“ in Italien können hier als Beispiele angeführt werden. Siegfried Anzinger, Erwin Bohatsch, Herbert Brandl, Gunter Damisch, Alois Mosbacher, Hubert Scheibl, Hubert Schmalix, Otto Zitko, um nur einige zu nennen, ging es darum, die Malerei als solche, losgelöst von konzeptuellen Ideen, wieder zum Ausgangspunkt künstlerischen Schaffens zu machen. Dabei war es unerheblich, ob sich die einzelnen Künstler der figurativen oder der abstrakten Richtung zugehörig fühlten. Ihnen ging es darum, die künstlerische Vorstellungskraft in Malerei mit immer wieder neuen Inhalten umzusetzen.

Als ich das erste Mal die Bilder von Herbert Brandl sah, war ich fasziniert von der Ausdruckskraft, ja Spiritualität seiner Bilder. Die in der frühen Schaffensphase bewegt expressiven Bilder fanden später in subtil gemalten Werken, die kosmisch-spirituelle Landschaften erahnen lassen, ihre Fortsetzung. Brandl gehört zu jenen Künstlern, die stets das Experiment wagen und sich neuen Herausforderungen stellen. Die jüngere Entwicklung, aus der reinen Abstraktion eine neue Form von Berglandschaften zu entwickeln, empfinde ich als mutigen Schritt, der nicht nur mit der Leidenschaft des Künstlers für das Erklimmen hoher Bergmassive zu erklären ist. Ich verzichte hier aber bewusst auf diese späteren, sehr an die Natur angelehnten Bilder und konzentriere mich auf seine frühen, abstrakten Arbeiten.

„Man kann sich schon fragen, was macht diese Landschaft heute da, ohne Autobahn, ohne Menschen, ohne Zivilisation. Das ist ja keine reale Landschaft. Es ist auch keine ideale Landschaft. Es ist eine Landschaft aus Farben, die aus dem Pinsel rinnt.“ Herbert Brandl

Hubert Scheibls in vielen Schichten aufgetragenen, abstrakten Bilder bestechen durch ihre Farbigkeit, Dichte und Intensität. Das Farbspektrum reicht von kühlen Weiß- und Blau-Tönen bis hin zu explosiver Farbigkeit in Rot-, Orange- und Violett-Tönen. Es sind zutiefst meditative Bilder, in denen Raum und Zeit völlig aufgelöst erscheinen. Die Malereien Scheibls laden zur kontemplativen Betrachtung ein und verschaffen ungewöhnliche, immer wieder neue Seherfahrungen.

Führungen jeden Sonntag um 15.00 Uhr.

Kuratorenführung: Am Mi, den 11.06. führt Karlheinz Essl durch seine Ausstellung.

Die Ausstellung >made in austria< ist noch bis 24.08. im Essl Museum zu sehen.

 

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